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 Erfahrungsbericht aus Simikot

 Dr. Birgit Pfeffer in Simikot vom 15. Juli bis 13. November 2007

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Nepal Trust Austria startete im Sommer dieses Jahres ein Langzeit-Projekt zur Unterstützung der rudimentären medizinischen Versorgung in Humla, einem sehr abgelegenen Distrikt im äußersten Nordwesten Nepals, mit dem Ziel, das Gesundheitssystem und die örtlichen Strukturen dort so weit auf- und auszubauen, dass innerhalb der nächsten 10 bis 15 Jahre eine möglichst effizient und unabhängig funktionierende Versorgung der Bevölkerung gewährleistet werden kann. Zur Zeit wird das Hauptaugenmerk auf das weit und breit einzige Krankenhaus der Region gerichtet, das sich in Simikot, dem Verwaltungszentrum von Humla, befindet.

 Ein für jeweils etwa drei Monate stationiertes österreichisches Team, bestehend aus Ärzten, diplomierten Krankenpflegern und anderen qualifizierten Personen ist verantwortlich für die Vermittlung von medizinischem Know How und praktischen Arbeitstechniken, für die Weiterbildung der nepalesischen Mitarbeiter auf Gebieten wie zum Beispiel Hygiene, Ernährung und Familienplanung, sowie die Unterstützung des einheimischen Teams bei der Bewältigung der täglichen Krankenhausarbeit und der gemeinsamen Erarbeitung von umsetzbaren Ideen und Lösungen für die Zukunft der medizinischen Versorgung in Humla.

 

Seit vielen Jahren schon interessiere ich mich für die Himalaya-Region mit ihren vielschichtigen Volksgruppen und einmaligen Menschen, und so ging für mich ein alter Traum in Erfüllung, als ich im Auftrag von Nepal Trust Austria nach Simikot reisen konnte, um dort gemeinsam mit den Nepalis unser Projekt zu starten.Ich wurde im November 1977 im Salzburger Land geboren und absolvierte mein Medizinstudium an der Universität Innsbruck. Derzeit mache ich die Ausbildung zur Ärztin für Allgemeinmedizin im Allgemein öffentlichen Krankenhaus Zell am See.

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frische Luft ist gesund
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Aufklärung über richtige Säuglingsernährung
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Gesundheitsseminar

 

Simikot liegt auf etwa 3000 Höhenmeter und ist als Verwaltungs- und Handelszentrum des Karnalitales der wichtigste Ort in Humla, der ärmsten Region Nepals. Über zwei Wochen Fußmarsch von der nächsten befahrbaren nepalesischen Straße entfernt, ist diese ‚Stadt' mit Kleinflugzeugen oder Transporthubschraubern recht abenteuerlich nur auf dem Luftweg erreichbar. Diese Abgeschiedenheit bedingt Schwierigkeiten bei der flächendeckenden medizinischen Versorgung der Bevölkerung.

Tag für Tag kommen Menschen oft von weit her mit den unterschiedlichsten Krankheiten oder Verletzungen ins Hospital, wobei die meisten Patienten natürlich ambulant behandelt und in der hauseigenen Apotheke mit Medikamenten versorgt werden, sehr schwer Erkrankte oder Verletzte aber stationär aufgenommen und unter sehr einfachen Bedingungen weiterbehandelt werden können. Ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften und spezieller technischer Ausrüstung macht einen Operationsbetrieb zur Zeit unmöglich, weshalb leider sämtliche chirurgischen Fälle ins Krankenhaus nach Nepalgunj ( an der Grenze zu Indien gelegen, etwa eine Flugstunde entfernt ) ausgeflogen werden müssen - für den Großteil der bettelarmen Bevölkerung finanziell nicht leistbar. Die technischen Hilfsmittel des Hauses beschränken sich auf ein simples Labor zur Untersuchung der einfachsten Blutwerte sowie Harn-und Stuhlproben, und ein uraltes, ‚strahlendes' Röntgengerät. Diese Voraussetzungen machen eindeutige Diagnosen nicht gerade leicht, doch lernt man ohne die gewohnten diagnostischen Möglichkeiten wieder aufmerksames Sehen und Beobachten, ( Zu-) Hören und Fühlen - der Patient steht im Mittelpunkt, so, wie es eigentlich immer sein sollte.

Das Spektrum der Krankheitsbilder ist bunt, Leiden, die man häufig nur aus Büchern kennt, alltäglich. Schwere körperliche Arbeit, einseitige Ernährung, schlechte hygienische Bedingungen, offene Feuerstellen in den Häusern und viele weitere Faktoren eines Lebens in solch bitterer Armut setzen die durchschnittliche Lebenserwartung für beide Geschlechter auf ein Alter knapp um die fünfzig Jahre tragisch herab, auch die Kindersterblichkeit bleibt die höchste im ganzen Land.

Die medizinische Hauptproblematik liegt bei Männern wie Frauen in einfachen, häufig aber auch schwer zu beherrschenden Durchfallerkrankungen, die nicht selten epidemisch um sich greifen und, vor allem unter den Kindern, immer wieder Todesopfer fordern.

An zweiter Stelle stehen akute Infektionen der Atemwege, durch die jahrelange Rauchinhalation an den offenen Feuerstellen aber auch chronische Lungenkrankheiten. Hartnäckige intestinale Wurmerkrankungen, sowie schwere Hautinfektionen, akute und chronische Gastritiden zählen ebenfalls zu den häufigsten Diagnosen, außerdem Infektionen der Augen und Ohren, entzündliche Erkrankungen des Bewegungsapparats, Zahnschmerzen, venerologische Infektionen und immer wieder Fälle von Tuberkulose.

 Als ersten wichtigen Schritt sehen wir weiterbildende Maßnahmen zur Verbesserung der Anamnesetechnik und einfacher, übersichtlicher Schritte zu einer möglichst zielsicheren Diagnostik, wohlüberlegten und effizienten Einsatz der vorhandenen Medikation, Nachsorge und dokumentierte Qualitätskontrolle der veranlassten Behandlungen.

 

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Warten auf Behandlung
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    nepalesischer Hausbesuch
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tapfere kleine Patientin

 

Auf lange Sicht gesehen können wir mit viel Geduld hoffentlich ein Umdenken bewirken, und Gesundheit als so wertvollen Faktor für eine bessere Lebensqualität vermitteln, indem wir die Menschen Humlas mit Aufklärungsarbeit für die Erhaltung ihrer Gesundheit anstelle der bloßen Kurierung von Krankheit und Leiden sensibilisieren. Gesund bleiben zu können sollte auch für eine so arme Bevölkerung kein unerreichbares Ziel sein müssen. Durch einfache Maßnahmen, die das alltägliche Leben betreffen, kann die Lebensqualität erheblich gesteigert und die Vermeidung von Infektionen und chronischen Krankheiten wirksam unterstützt werden. Eine große Bandbreite an Möglichkeiten bietet sich hier an, angefangen von Projekten für bessere hygienische Lebensverhältnisse, über Mutter-Kind-Programme zur Bekämpfung der Mangelernährung durch jahrelanges Stillen, bis hin zur Eindämmung schwerer chronischer Lungenerkrankungen durch Aufklärung über verbesserte Heiztechniken oder funktionierende Kamine und so vieles mehr....

Der Weg zu diesem Ziel ist weit und sollte unter behutsamer Rücksichtnahme auf die traditionellen sozialen und kulturellen Aspekte der Volksgruppen in Humla genommen werden. Über unzählige Generationen hat sich die Lebensweise der Menschen in diesem abgeschiedenen Teil der Welt so entwickelt und wir müssen unbedingt Balance halten zwischen Altem, das sich bewährt hat, und Neuem, das die Lebensqualität der Humli anhebt.

 Nur so können wir den Menschen dort helfen und diesen einmaligen Kulturkreis bewahren.

Ich wurde von den Menschen in Simikot herzlich und offen aufgenommen und akzeptiert, konnte teilhaben an vielen alltäglichen Ereignissen, aber auch für mich so besonderen Momenten, habe Unterstützung und auch Anerkennung erfahren und wunderbare Freundschaften schließen können - und mich dadurch so zu Hause gefühlt. Die Einfachheit des Lebens, die Unkompliziertheit des Denkens, Redens und Handelns bringen Ruhe und Klarheit in den eigenen Kopf. Europäische Probleme werden zu Problemchen, bis sie auf einmal ganz verschwunden sind.

Ich bewundere die Menschen in Humla für ihre Lebensfreude und ihren Lebensmut, die Zähigkeit, mit der sie den harten Bedingungen die Stirn bieten und trotzdem glücklich sind und ich bin unheimlich dankbar für die einmaligen Erfahrungen und wunderbaren Erlebnisse in meiner Zeit im Himalaya.

 

29. November 2007                                                         Tashi Delek, Dr. Birgit Pfeffer